Impfstoff-Umsätze brechen ein, Kommunen fehlen die fürstlichen Steuern.
Von Daniel Weinmann
An der Goldgrube 12 in Mainz. So lautet die Adresse der Hauptverwaltung des einstigen Impfstoffriesen Biontech. Der Straßenname war Programm. 10,3 Milliarden Euro Nettogewinn erwirtschaftete Biontech allein im Jahr 2021 – bei einer Umsatzrentabilität von mehr als 50. Der Profitanstieg war so spektakulär, dass er laut dem Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung einen halben 0,5 Prozentpunkt zum Wirtschaftswachstum in Deutschland beitrug.
Zu den Profiteuren zählte nicht zuletzt der Bund. Im September 2020 unterstützte Berlin Biontech für die Covid-Impfstoffforschung mit 375 Millionen Euro an Fördermitteln aus der Staatskasse – mit dem Ziel, die für die Zulassung nötigen klinischen Studien des Impfstoffs und den schnellen Aufbau einer Massenproduktion zu erleichtern.
Diese Fördersummen hat Biontech inzwischen nebst einer satten Rendite zurückgezahlt: Vom Vorsteuergewinn von 1,6 Milliarden Euro im ersten Quartal 2021 flossen 514 Millionen Euro als Steuer an den Staat. Genau genommen handelte es sich um ein Insidergeschäft, weil Berlin das Geschäft durch seine rigiden Maßnahmen besonders lukrativ machte. Doch für den starken Staat scheinen eigene Gesetze zu gelten, zumal die Impfstoffförderung – zumindest nach Auffassung von Corona-Papst Christian Drosten – dazu beitrug, Millionen Coronatote zu vermeiden.
Massive Wertberichtigungen von Impfstoff-Vorräten
Um ein Vielfaches rentabler war das erkleckliche Vakzin-Business für das Biontech-Gründer-Ehepaar Uğur Şahin und Özlem Türeci. Die Finanznachrichtenagentur Bloomberg taxierte deren Vermögen im November 2021 auf fast 16 Milliarden Dollar. Doch seitdem geht es rapide bergab, schon ein Jahr später besaßen sie „nur“ noch rund 5,8 Milliarden Dollar. Heute beläuft sich das Vermögen der Şahins Schätzungen zufolge auf 3,32 Milliarden Euro – ein enormer Abstieg, aber immer noch genug, um fürstlich zu leben. Ein deutscher Durchschnittsverdiener, der laut Statistischem Bundesamt 51.900 Euro erhält, müsste knapp 64.000 Jahre arbeiten, um diese Summe zu verdienen.
Der Grund: Im vergangenen Jahr ist der Umsatz bereits auf 3,8 Milliarden Euro abgeschmolzen, der Nettogewinn brach um 90 Prozent auf 930 Millionen Euro ein. Biontech verwies unter anderem auf Wertberichtigungen von Impfstoff-Vorräten durch den US-Partner Pfizer. Für das laufende Jahr erwartet man einen weiteren Umsatzrückgang auf 2,5 bis 3,1 Milliarden Euro. Die Aktie, die im August 2021 ein Rekordhoch von 350 Euro erreichte, notierte zuletzt bei 84 Euro.
„Wir gehen davon aus, dass unser Covid-19-Impfstoffgeschäft auch 2024 weiterhin eine wichtige Einnahmequelle bleiben wird“, zeigte sich Finanzvorstand Jens Holstein am Mittwoch anlässlich der Präsentation der desaströsen Zahlen auf naive Weise optimistisch.
Kommunen müssen künftig ohne die Steuermillionen von Biontech auskommen
Um nicht weiter der Bedeutungslosigkeit entgegenzutaumeln, beabsichtigt Biontech seine onkologische Forschung mit Milliardenausgaben voranzubringen und schon 2026 sein erstes Krebsmedikament auf den Markt bringen. Aussagen des einst als „Impfheld“ verbrämten Şahin zufolge gibt es gleich eine ganze Reihe an Wirkstoffkandidaten in der mittleren und späten klinischen Entwicklung.
Bis 2030 strebt man Zulassungen in zehn Indikationen an, lautet der ambitionierte Plan. „Hurra, jetzt stößt man sich am Krebs gesund, den die mRNA verursacht hat. Geniales Geschäftsmodell“, ätzte ein Nutzer auf der Online-Plattform X. „Der Fokus der Investoren verschiebt sich zunehmend weg von den profitablen Covid-Umsätzen hin zu der riskanten Krebs-Pipeline“, gibt Union-Investment-Fondsmanager Markus Manns im „Handelsblatt“ zu bedenken. Diese sei zwar „relativ breit und sehr innovativ“, befinde sich aber größtenteils noch in einem frühen Stadium.
Konkreter als die rosaroten Zukunftsphantasien mit offenem Ausgang ist die Belastung der Haushaltskassen der Städte mit einem Biontech-Standort. In Rheinland-Pfalz ist vor allem die Landeshauptstadt Mainz vom enormen Umsatz- und Gewinnrückgang der Pharmafirma betroffen. Im vergangenen Jahr sackten die Gewerbesteuereinnahmen im Vergleich zu 2022 um rund 1,04 Milliarden Euro oder 83 Prozent auf 217 Millionen Euro ab. Am Standort Idar-Oberstein schmierte das Gewerbesteueraufkommen um 89 Millionen Euro bzw. 58 Prozent ab.
Quelle: reitschuster.de
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